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Chronik

»Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!« – Der Frauengesprächskreis in Ursula Arnolds Wohnzimmer nahm Erich Kästners Bonmot beim Wort. Die Frauen wollten Mitte der 70er Jahre nicht nur theoretisch diskutieren über die seit 1949 im Grundgesetz zwar verankerte, aber im Alltag keineswegs umgesetzte Gleichberechtigung und die viel zu lange schon tabuisierte Gewalt in der Familie. Sie wollten praktische Lebenshilfe leisten. Wenig Geld, viel Idealismus! Und wenn die Not groß ist, kann ein privates Sofa ein erster Rettungsanker sein. So manche vor den Schlägen und Erniedrigungen ihres Mannes geflüchtete Frau samt ihrer Kinder hatte Ursula Arnolds in ihrer Wohnung beherbergt.

Aber schnell war klar, auf Dauer konnte die Übernachtung auf ihrer Couch nicht die Lösung dieses gesellschaftlichen Problems sein. In Berlin und in Köln hatten bereits nach britischem Vorbild die ersten Frauenhäuser eröffnet. Ursula Arnolds pflegte gute Kontakte zu Ratsfrauen von FDP wie SPD, wusste, dass die Gründung eines Vereins für die Beschaffung von Finanzhilfen unerlässlich ist. Der Trägerverein ›Frauen helfen Frauen e. V.‹ war geboren, und bereits ein halbes Jahr später bot im Sommer 1977 ein kleines, von der Stadt Düsseldorf gemietetes Häuschen am Grafenberger Wald Schutzraum für misshandelte Frauen. Nach Köln und Bielefeld das dritte Frauenhaus in Nordrhein-Westfalen.

Die genaue Adresse wurde geheim gehalten, aber die Telefonnummer für die erste Kontaktaufnahme bei Polizei, Sozialdiensten, Ärzten, in Straßenbahnen und Krankenhäusern verbreitet. Kaum veröffentlicht, bescherte allein Mundpropaganda ein volles Haus. Der Platz für zehn Frauen war schnell ausgereizt und die Waldlage schlecht zu schützen.

Der Verein suchte nach einem neuen Domizil und bezog schließlich über die städtische Wohnungsgesellschaft 1979 ein günstig zur Verfügung gestelltes Wohnhaus in einem Wohngebiet, in dem maximal 40 Personen Unterschlupf fanden. Damals war der Andrang so groß, dass die zahllosen Matratzen für die Frauen und ihre Kinder tagsüber hochgeklappt werden mussten und nur ein winziges Büro für die Mitarbeiterinnen zur Verfügung stand. In dieser Situation war es freilich nur schwer möglich, über den ersten Fluchtraum hinaus professionelle und nachwirkende Hilfe anbieten zu können. Viele Frauen gingen wieder in ihre alten Beziehungen zurück. Das konnte nicht der Sinn der Arbeit sein!

Waren anfangs ausschließlich Ehrenamtliche – Hausfrauen, Berufstätige wie Studentinnen – im Einsatz, finanzierte das Land NRW ab 1978 eine Sozialarbeiterin, kam ein Jahr später die Stelle für eine hauswirtschaftliche Mitarbeiterin dazu, 1988 eine Erzieherin für die Kinder und fast zwanzig Jahre nach der Gründung des Frauenhauses eine zweite Sozialpädagogin. Mit einem Festbetrag im Etat trägt die Stadt zur Existenzsicherung bei. Allerdings muss es dem Verein gelingen, zusätzlich mindestens 35 000 Euro an Spenden zu sammeln. Keine leichte Herausforderung!

Gisela Timpe-Rottwilm, heute 1. Vorsitzende des rund 100 Mitglieder umfassenden Vereins, erinnert sich an die »katastrophalen« Anfänge. »Damals wurden wir finanziert über Tages­sätze, pro Frau und pro Kind. Daraus ergab sich die absurde Situation: Je voller das Haus, desto besser ging es uns …« Ehrenamtlich hatte sie zunächst die Büroarbeit übernommen. »Dass ich nicht zur Lila-Latzhosen-Fraktion gehörte, wirkte sich positiv bei meinen Finanzverhandlungen aus«, wertet die ehemalige Chefsekretärin im Rückspiegel den Effekt ihres damals eher konservativen Kleidungsstils. Schließlich konnte sie 1992 eine Halbtagsstelle als Geschäftsführerin erreichen. Der Umfang der Aufgaben hat in den mittlerweile 25 Jahren, seit die Stelle eingerichtet wurde, erheblich zugenommen. Multi-Tasking heißt das alltägliche Stichwort: Die Geschäfts­führerin ist Bindeglied zwischen Vorstand und Mitarbeiterinnen, sie gibt den Ton, die Stimmung vor, die im Haus herrschen sollte, hat ein offenes, empathisches Wort für die Frauen. Zur zeitfressenden Kommuni­kation in alle Richtungen kommen Buchhaltung, Personalverwaltung, Spendenakquise, Termine, Teamsitzungen, Arbeitsberichte, Mitgliederpflege …

Die Notwendigkeit des Frauenhauses wird längst nicht mehr bestritten. Rund 25 000 gewalttätige Übergriffe, die in NRW im Jahr zur Anzeige gebracht werden, sind vier Jahrzehnte nach Gründung traurige Realität. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher!

Mehr als 4000 Frauen und noch mal so viele Kinder hat das seit 40 Jahren autonome Frauenhaus in Düsseldorf beherbergt, beraten, zu Ämtern begleitet, mit den Kontakten des Netzwerkes versorgt und unterstützt auf dem Weg zu gewaltfreier Selbstbestimmung. »Das Frauenhaus als Sprungbrett in ein anderes Leben«, so nennt es Gisela Timpe-Rottwilm.

Inzwischen haben 80–90 Prozent der Schutzsuchenden einen Migrationshintergrund, die meisten der überwiegend jungen Frauen mit Kleinkindern stammen aus der Türkei, Marokko und Osteuropa. Sie stecken in komplexen Pro­blem­lagen, kennen ihre rechtlichen Möglich­keiten nicht, haben einen größeren Bedarf an »Nachgehender Beratung«. Seit kurzem bietet das Frauenhaus auf Wunsch einmal in der Woche Deutschunterricht an, um Verständigungsschwierigkeiten im Haus ebenso wie bei Formalitäten und Behördengängen zu minimieren. Auch ehemalige Bewohnerinnen springen als Übersetzerinnen ein.

Hell und freundlich, selbst bei trübem Nieselwetter draußen vor der Tür, ist die Atmosphäre im Frauenhaus. Es erinnert an ein großes Familienhaus mit geräumiger Küche, Aufenthalts- und Speiseraum. In den sechs Schlaf­räumen stehen 17 Betten bereit. Besonders ansprechend ist das kunterbunte Kinderhaus mit vielseitig animierendem Spielzeugangebot und ein Garten, der zum Verweilen einlädt. Das Herzstück aber sind die Mitarbeiterinnen. Ihre fachliche Kompetenz, ihre Solidarität, ihr Engagement und ihre Belastbarkeit machen die Stärke dieses Hauses aus.

Es ist eine schöne Bestätigung der Arbeit des Frauenhauses, dass die meisten Frauen für sich und ihre Kinder mittlerweile einen guten Weg gefunden haben, ihr neues Leben zu gestalten.